Einer meiner BoD - Bestseller !
1. Februar
Ein schönes, aber auch hartes Jahr liegt
hinter mir. Schön, weil ich viele nette Menschen kennen gelernt habe, einen
guten Job gefunden hatte, der mir noch immer viel Freude macht, auch wenn er
nicht leicht ist. Gut war es auch, weil ich mich nun fließend auf Englisch
unterhalten kann und mir nichts mehr zusammenstottern muss.
Und wie nebenbei konnte ich einiges hinter
mir lassen, dafür viele neue Eindrücke sammeln.
Missouri ist ein schönes Fleckchen Erde und
Jefferson City wurde mir in dieser Zeit fast so etwas wie eine zweite Heimat.Doch hart war es auch, ja. Anfangs war mein Englisch wahnsinnig holprig, oft musste ich im Wörterbuch nachschlagen, weil mir viele Vokabeln einfach nicht geläufig waren. Heimweh hatte ich immer wieder, mit der Zeit hat es jedoch nachgelassen. Ein paar hundert Kilometer Entfernung zu meinen Eltern waren eine Sache, zumal ich ja auch noch meinen Bruder bei mir hatte. Und diese Entfernung ist schnell mal überwunden, wenn es sein muss. Doch tausende Kilometer, getrennt durch den Atlantischen Ozean, sind eine andere Dimension.
Ich werde die Kolleginnen und Kollegen, ganz
besonders Jill und Steven, sehr vermissen. Gerade die beiden waren immer für
mich da. Hoffentlich schaffen wir es wirklich, den Kontakt aufrecht zu
erhalten. Vielleicht kommen sie mich ja auch irgendwann, in nicht allzu ferner
Zukunft, mal besuchen, schön
wäre es.
wäre es.
Aber ich freue mich auch. Auf Daniel, Sina
und darauf, einfach wieder zuhause zu sein. Bleibt mir jetzt nur noch übrig,
dich einzupacken, liebes Tagebuch, damit wir uns auf die lange Heimreise
begeben können.
*
Auf der Suche
nach einem Job und mit meinem Bruder Daniel unter einem Dach, war ich wieder in
meiner Wohnung, in unserem Elternhaus, untergekommen. Unsere Eltern hatten
damals ein Zwei-Familien-Haus gekauft, noch eine zusätzliche Wohnung für sich
selbst angebaut und den Rest vermietet, bis Daniel und ich unser eigenes Geld
verdienten und jeweils eine der „alten“ Wohnungen bezogen. Nach wie vor war
unser Familienzusammenhalt sehr groß, auch wenn unsere Eltern derzeit in
Spanien lebten.
Es war meist Daniel,
der schon beim gemeinsamen Frühstück in der Zeitung stöberte. Ich las sie normalerweise
erst etwas später, wenn er bereits auf der Arbeit war. An diesem Morgen, nur
wenige Tage nachdem ich aus Amerika zurückgekommen war, sollte es anders sein.
Daniel, sein
kurzes, lockiges schwarzes Haar stand noch wirr in alle Richtungen, schaute
mich plötzlich aus seinen klaren, blauen Augen an. Dann reichte er mir das
erste Blatt der Stellenangebote und zeigte auf eine der Anzeigen.
„Hier, für
dich."
Morgens war
Daniel immer wenig gesprächig. Ich nahm das Blatt und las die Annonce. Es wurde,
für einen vorübergehend bettlägerigen jungen Mann, eine Vollzeitbetreuung
gesucht. Voraussetzungen: mehrjährige Berufserfahrung als Krankenschwester,
neben Deutsch idealerweise sehr gute Kenntnisse der italienischen Sprache in
Wort und Schrift, sofortiger Arbeitsbeginn, zwingend Reisebereitschaft, ein
sehr ruhiges, gelassenes Wesen und absolute Verschwiegenheit. Allerdings - ein
`Rund um die Uhr` Job. Geboten wurde dafür `Top-Bezahlung` und Unterkunft.
Leider nur für `absehbare Zeit`. Und die Bewerbung bitte auf Italienisch? Nun
gut, das sollte das geringste Problem an der Sache sein.
„Und?“, wollte
er wissen.
„Was, und?“
„Na, ist das
was, oder nicht?“, wurde er ungeduldig.
Seine sonst so
weichen Gesichtszüge, aus dem die markante Nase so herausstach, verzogen sich,
und wirkten nun etwas düster. Sein Kinn trat dabei auch immer deutlich hervor.
Wie immer, wenn er ungeduldig wurde.
„Doch, doch“,
antwortete ich zerstreut, nochmals die Anzeige lesend.
Ich dachte nach,
es wäre immerhin ein Anfang und überhaupt … wer weiß, ob ich den Job bekommen
würde? Und reisebereit war ich auch. Warum eigentlich nicht? Ob ich jetzt hier
oder anderswo arbeitete, ich fühlte mich sowieso noch nicht richtig angekommen.
Ich machte
also direkt meine Bewerbungsunterlagen fertig und schickte sie ab. Schon zwei
Tage später meldete sich ein Herr Moreno. Ich konnte es kaum fassen, dass er
sich baldmöglichst mit mir treffen wollte. Ob er mich gleich morgen früh schon
besuchen dürfte? Ich sagte natürlich zu, obwohl es mich etwas wunderte, das er
zu mir kommen wollte, und dies auch noch so schnell. Aber da Daniel am nächsten
Morgen frei hatte war ich wenigstens nicht alleine in der Wohnung. Zudem musste
der Typ ja auch erst einmal kommen …
*
Und er kam
tatsächlich. Pünktlich um zehn Uhr stand er vor der Tür.
„Guten Morgen,
sie sind sicher Herr Moreno?", erkundigte ich mich, als ich die Tür
öffnete.
Ja, genau so
sah für mich ein typischer Italiener aus: kaum größer als ich, schwarze, ganz
kurze gelockte Haare und ein leicht Oliv-Farbener Teint. Ein wenig kompakt, so
könnte man seine Statur nennen, mit einem rundlichen Gesicht und einer kleinen,
ja, fast schon einer Stupsnase.
„Genau, guten
Morgen. Frau Wirtz, nehme ich an?" Und damit reichte er mir die Hand, die
ich ergriff.
„Die bin ich,
ja. Kommen Sie doch bitte herein." Ich führte ihn die Treppe hoch ins Wohnzimmer,
wo ich schon Tassen, Kaffee, Milch und Zucker bereitgestellt hatte und er nahm
auf der Couch Platz. Ich setzte mich, gespannt auf das, was mich erwartete, auf
den Sessel ihm gegenüber.
Die angebotene
Tasse Kaffee nahm er gerne an, bevor er zu sprechen begann: „Sie wundern sich
sicher über die etwas ungewöhnliche Art und Weise meines Vorgehens, aber ich
war zum Glück gerade sowieso in der Nähe. Es wäre für sie sicher schwieriger
gewesen, mal eben zu uns nach Italien zu kommen."
Italien? Ich
schaute ihn mit großen Augen etwas verwundert an.
„Ich glaube,
ich erkläre Ihnen besser erst einmal, um was es überhaupt geht. Ich bin der Manager
von Marcin Kozak, Sie haben vielleicht in den Nachrichten von seinem schweren
Unfall gehört?"
Ich nickte.
Marcin Kozak war, trotz seines noch relativ jungen Alters von gerade mal 25
Jahren, bereits ein sehr gefragter Rennfahrer und in Deutschland schon fast so
etwas wie ein Nationalheld. Er war vor wenigen Tagen, bei einer Testfahrt auf
der Rennstrecke in Imola, schwer verunglückt. Die Bilder waren tagelang durch die
Presse gegangen. Es grenzte an ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte.
„Wie geht es ihm?",
wollte ich wissen.
„Sagen wir mal
… den Umständen entsprechend. Als ich Vorgestern weggefahren bin, lag er noch
im künstlichen Koma, aber schon vor ein paar Tagen haben sie die Medikation geändert,
sodass er gestern Morgen wieder ein wenig zu sich gekommen ist. Etliche
Knochenbrüche, Prellungen und innere Verletzungen hat er. Doch so wie es
aussieht, wird alles, auch die Hand, die so schwer verletzt wurde, wieder in
Ordnung kommen. Er wird zwar im Krankenhaus recht gut betreut, aber dennoch
suchen wir jemanden, der sich die nächsten Monate, bis er wieder soweit fit ist
um alleine klar zu kommen, voll und ganz nur um ihn kümmern kann. Also wirklich
rund um die Uhr und mit allem drum und dran. Ihren Unterlagen zufolge sind Sie
für den Job an sich bestens geeignet.“
„Was heißt
das, für den Job an sich?“ Die ganze Sache wurde irgendwie immer seltsamer.
„Leider kann
Marcin manchmal ziemlich … eigen sein“, fuhr er etwas zögernd fort, „oft aber
auch ein richtiges Ekel. Ob Sie mit ihm klarkommen, das müssten wir halt versuchen.
Jetzt meine Frage an Sie: Wäre das ein Job für Sie? Und könnten Sie sofort
anfangen?"
Ich dachte nur
ganz kurz darüber nach. Was hatte ich zu verlieren? Schlimmstenfalls kam ich
bald wieder nach Hause, und musste weiter nach einem Job suchen.
Ich gab mir schnell
den entscheidenden Ruck: „Ja. Also den Job traue ich mir auf jeden Fall zu. Ich
war ja in der Klinik in Amerika bereits mehrere Monate auf der Intensivstation
tätig. Alles andere müssen wir wohl auf uns zukommen lassen, aber ich bin da
ziemlich hart im nehmen. Und wie schnell wäre sofort?"
„Nun ja, das
heißt, ich würde Sie jetzt sofort mitnehmen, genau gesagt, sobald Sie gepackt
haben. Wir brauchen wirklich dringend jemanden dort unten, der Italienisch
spricht. Marcin versteht leider nur sehr wenig außer Pizza und Pasta, dass
würde die Verständigung mit den Ärzten und besonders dem Pflegepersonal auf
Dauer viel zu schwierig machen." ...