Freitag, 19. April 2019

Leseprobe: Zwei Herzen für Luna

Einer meiner BoD - Bestseller!
 


 
 
Carlo
Wir hatten einen wunderbaren Abend erst bei unserem Lieblingsgriechen und dann in dem neuen, derzeit angesagtesten Club der Stadt verbracht. Viel zu oft musste mein Liebster als Security oder Personenschützer abends, nachts oder an den Wochenenden arbeiten, sodass wir diese seltenen gemeinsamen Ausflüge jedes Mal in vollen Zügen ausnutzten. Erst als Falk und ich total erschöpft waren, was so gegen vier Uhr morgens der Fall war, machten wir uns auf den Heimweg. Dass es leicht regnete störte uns nicht, allzu weit mussten wir ja nicht laufen. Arm in Arm schlenderten wir die dunklen Straßen unserer Stadt entlang, genossen die Zweisamkeit und waren einfach glücklich. Nur noch über die Brücke der Saar mussten wir, dort wartete die gemütliche Wohnung unseres Hauses auf uns. Angesichts des Wetters hatte ich den Kamin vorsorglich in meiner kurzen Mittagspause vorbereitet, damit wir ihn bei Bedarf nur anzünden mussten, um es schnell schön warm zu bekommen. Eine heiße Dusche und anschließend ins Bett legen klang inzwischen viel reizvoller für mich.
Wir hatten schon fast die Mitte der Brücke erreicht, als Falk plötzlich stehen blieb. „Was ist?“, stutzte ich, ließ den um ihn gelegten Arm fallen, sah meinen Liebsten an und folgte seinem angestrengten Blick, der mit leicht zusammengekniffenen Augen nach vorne ging.
„Ich bin mir nicht sicher, aber … steht da wirklich jemand hinter dem Pfosten auf dem Geländer?“, raunte er mir zu.
Es dauerte einen Moment, bis ich sah, was seine Aufmerksamkeit gefesselt hatte. „Ja“, gab ich leise und zögernd zu, „sieht wirklich so aus. Aber wer sollte denn …?“ Und brach ab. Wer das war spielte keine Rolle in dem Moment, wichtiger wäre es, den- oder diejenige davon abzuhalten genau das zu tun, nach was es aussah. Nämlich von der Brücke zu springen!
Schnell ratterten mir verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf. Doch egal ob wir uns anschleichen würden oder normal weiterliefen, sollte dieser offenbar lebensmüde Mensch dabei erschrecken, war der Sturz in die Tiefe womöglich vorprogrammiert. Ansprechen konnte denselben Effekt haben. Von unten käme man nur mit einem Boot bei, was uns zwar im Falle eines Sprunges helfen würde, aber nicht dabei, genau diesen zu verhindern. Was also sollten wir tun?
Mein ratloser Bick traf Falk. „Polizei?“, flüsterte ich gerade so laut, dass er mich verstehen konnte.
Er schüttelte den Kopf. „Dauert viel zu lange. Außerdem, wenn die mit großem Tamtam anrücken und der oder die erschrickt …“ Mein Freund hatte also schon dieselben Gedanken wie ich. „Gehen wir langsam und ganz normal weiter“, schlug er vor. „Ist erst mal unauffällig und unsere Schritte werden nach und nach erst lauter. Wenn das Unterbewusstsein von diesem Menschen das mitbekommt, wird der Schreck vielleicht ausbleiben“, dachte er eher laut nach, als es wirklich auszusprechen.
„Okay“, stimmte ich zu, „also weiter wie bisher. Und dann?“
„Abwarten. Mehr können wir nicht tun. Wenn die Person uns bemerkt, könnten wir sie eventuell auch ansprechen. Fragen was los ist und so. Aber das sehen wir, wenn es soweit ist“, meinte mein Freund. Psychologisch gesehen sicher nicht optimal, unser Plan, aber da mir keine bessere Idee kam nickte ich ihm zu und legte wieder den Arm um ihn. Langsamer als zuvor liefen wir die ansonsten menschenleere Straße weiter. Dabei behielten wir ständig den Menschen auf dem Geländer im Auge.
Wir waren bis auf etwa fünf Meter an die Person herangekommen, als diese Falk und mich ohne sich uns zuzuwenden bemerkte. „Bleibt wo ihr seid!“, keifte die helle, eindeutig weibliche Stimme. „Oder ich springe!“
Abrupt bleiben wir stehen. „Okay! Alles gut“, sprach ich laut ich in ihre Richtung. Na super, das war genau, was wir jetzt brauchen konnten. Ich rollte mit den Augen uns warf einen fragenden Blick zu meinem Freund. „Und nun?“, formten meine Lippen stumm.
„Lass mich mal machen“, gab er fast lautlos zurück und entwand sich meinem Arm.

Falk
Einen Moment sortierte ich meine Gedanken. Was nun? Ich musterte die Person, sah dank des Mondlichts zum Glück ihr Gesicht ein wenig von der Seite. Die Frau auf dem Brückengeländer schien ihrem Aussehen nach verdammt jung zu sein, womöglich sogar noch minderjährig. Wer wusste schon immer so genau, was in Teenie-Köpfen vor sich ging? Nicht mal in meinem Job, bei dem ich wirklich einiges an Menschenkenntnis dazugewonnen hatte, bekam ich dafür den Durchblick.
Nach außen hin locker und entspannt griff ich in meine Jackentasche und holte die Zigaretten heraus. Eigentlich wollte ich ja schon lange aufhören, aber hey, drei, vier Kippen am Tag war jetzt auch nicht die Welt. Ohne die junge Frau aus den Augen zu lassen öffnete ich die Packung, nahm eines der weißen Stäbchen heraus und zündete es mit dem Feuerzeug, das immer in der Schachtel war, an. Langsam ließ ich den Rauch des ersten Zuges entweichen und fragte sie: „Willst du auch eine Kippe?“
Ihre Brauen schnellten nach oben, als ihre Augen riesengroß wurden und sie kurz zu uns blickte. „Nein. Und jetzt verschwindet!“
„Nö!“, gab ich betont lässig zurück und ließ die kleine Schachtel wieder in der Jacke verschwinden.
„Ich springe!“, schrie sie. Leichte Panik schwang in ihrer Stimme mit. Ein kurzer Blick von mir zu Carlo – der stand da wie versteinert, den Blick starr auf das Mädchen gerichtet.
„Und … warum?“ Nein, was Besseres fiel mir in dem Moment echt nicht ein.
„Geht dich `nen Scheiß an!“ Etwas schriller als zuvor klang sie jetzt. Die nächsten Worte musste ich mir echt gut überlegen.
„Naja, wenn du dich hier vor unseren Augen herunterwirfst, wovon wir sicherlich wochenlang Alpträume haben, würde ich schon gern wissen, warum du das tust. Vielleicht verarbeite ich das dann leichter!“ Ich fing im Augenwinkel Carlos entsetzten Blick auf. Jaja, für Taktgefühl war ich nicht unbedingt bekannt. Aber mal ehrlich, wer rechnet schon mit so einer Situation und bereitet sich darauf vor? Im Job war mein Ruf wirklich gut, konnte ich doch allein durch Rhetorik kritische Situationen sehr oft entschärfen. Dafür gab es spezielle Trainings und Seminare, da war das Alltag, auf den man sich vorbereiten kann. Aber sowas hier?
Ich zog an meiner Zigarette. „Also?“, hakte ich nach verschränkte die Arme lässig vor der Brust und schaute sie an. „Was quält dich?“
Unsicherheit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Offenbar war ihr ziemlich kalt, ein Zittern zog durch ihren Körper. „Das geht dich nichts an!“, zischte sie.
„Verrätst du mir wenigstens deinen Namen?“, fragte ich das Mädchen weiter. Vielleicht konnte man sie auf diese Weise wenigstens vom Sprung ablenken.
„Wozu? Es spielt doch eh alles keine Rolle mehr!“, die Verzweiflung in ihrer Stimme nahm weiter zu. Noch hielt sie sich an dem Pfosten fest, die Frage war nur, wie lange hielt die Kleine das in dem Regen und der Kälte noch durch? Ich musste mir unbedingt etwas einfallen lassen.
„Das kann ich nicht beurteilen, noch hast du mir ja nicht gesagt, warum du überhaupt hier stehst“, versuchte ich sie weiter aus der Reserve zu locken. „Wie wäre es, du erzählst mir deine Geschichte? Ich höre dir zu und wenn du mich überzeugst, dass dies wirklich der einzig richtige Weg ist, dann lass ich dich in Ruhe.“ Carlo neben mir schnappte entsetzt nach Luft. „Hast du vielleicht eine bessere Idee?“, flüsterte ich meinem Freund ganz leise zu, sodass die junge Frau uns nicht hörte, erntete aber nur ein Kopfschütteln.
„Ach, das glaubst du ja sowieso alles nicht. Niemand würde mir glauben, warum gerade du?“ Ihre Hoffnungslosigkeit schwang schwer in diesem Satz mit.
„Glaub mir, wenn einer außer dir eine Menge Scheiße erlebt hat, dann ich“, brummte ich. „Mein Leben war kein Zuckerschlecken. Ich weiß wie es ist, wenn man am Abgrund steht.“
„Das stimmt sogar, Liebes“, sprach nun auch Carlo, mit seinem leicht weibischen Touch in der Stimme zu ihr. „Aber er hat es geschafft und du kannst das auch! Bitte, sei so nett, erzähl uns deine Geschichte.“
Ich sah wie sie sich leicht zu uns drehte, erstmals richtig anschaute. „Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?“, schluchzte das Mädchen. „Was interessiert euch schon, was aus mir wird?“
Ich war froh, dass Carlo in dem Moment offenbar die richtigen Worte fand: „Weil du viel zu jung und viel zu hübsch bist, um dein Leben einfach so wegzuwerfen.“ Vorsichtig machte er einen kleinen Schritt nach vorne und erhob die Hand, als ob er ihr diese reichen wollte. „Bitte, Cara mia, komm herunter und rede mit uns.“
Meinem kleinen Italiener, wie ich ihn oft liebevoll nannte, konnte sie offenbar nicht widerstehen. Auch mir fiel es immer schwer etwas abzulehnen, wenn er mich mit seinen wunderschönen, dunkelbraunen Augen ansah. Er wagte sich einen weiteren Schritt auf sie zu.
„Du darfst uns wirklich vertrauen, Liebes, wir wollen dir nichts tun. Aber ich bitte dich, komm zu mir! Komm bitte von diesem Geländer runter“, flehte er die Kleine an. Ich sah ihr nachdenkliches Gesicht, den etwas verschwommenen Blick, den sie auf Carlo richtete. Dieser wagte sich noch ein Stück vor, stand schließlich noch knapp einen Meter vor ihr. „Bitte!“, setzte er noch mal eindringlich nach.
Gerade in dem Moment als sie sich ihm endgültig zuwandte, rutschte ihr Fuß auf dem Geländer ab und das Mädchen kam stark ins Schwanken. Mit einem Hechtsprung auf sie zu konnte ich gerade noch so einen ihrer wild um sich rudernden Arme packen und festhalten. Von der anderen Seite stürzte Carlo bei und packte die Kleine an ihrer nassen Jacke, doch konnten wir nicht verhindern, dass sie vom Geländer abrutschte!

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