Donnerstag, 11. Januar 2024

Leseprobe: Himmelsfluch und Höllensegen

 


Sie saßen gerade beim Essen, die Engel der himmlischen Rettungswache, als die Alarmglocke schrillte. Gleich darauf flitzte Botes, der Botenengel, in den Raum. Aufgeregt rief er: „Big Boss, Big Boss, ein furchtbar wahnsinnig dringender Notruf von Luftikus!“

Die anderen Engel hielten ebenso wie Big Boss, der von ihnen allen geachtete Chef der Truppe, in ihren Bewegungen inne. In der plötzlich eintretenden Stille hätte man eine Wolke atmen hören können!

Ein Raunen ging in dem Moment durch die Reihen, als Big Boss die kurze Nachricht gelesen hatte, aufsprang und in die Zentrale, von wo aus die Erdenbewohner und alle ihre Engel-Kollegen überwacht wurden, stürmte. Luftikus wurde vor kurzem erst von Big Boss in böser Vorahnung aus seinem wohlverdienten Urlaub auf Hawaii zurückgerufen und auf einen ganz besonderen Fall angesetzt. Es musste ein wirklich böser Notfall sein, Luftikus war der schnellste und beste Schutzengel, den sie überhaupt in ihren Reihen hatten. Wenn dieser wirklich einmal einen Notruf absetzten musste …

Big Boss war inzwischen in der Zentrale angekommen. „Schnell, schnell“, herrschte er den armen Koordinato an, der zuständige Engel, welcher in der Zentrale die Notfälle bearbeitete und dafür sorgte, dass die Rettungseinsätze reibungslos abliefen. „Stell mir sofort Verbindungen per Kamera zur Zielperson und via Telefon zu Luftikus her!“

So schnell es ging, tippte Koordinato mit flinken Fingern auf seinen Tastaturen herum und tat, worum sein Chef ihn gebeten hatte. Gemeinsam sahen sie auf die Bilder der Kamera, die Honey verfolgte. Dies war die junge Frau, die Luftikus zurzeit betreuen sollte. Gleich darauf hörten sie den armen Luftikus auch schon schluchzen: „Es tut mir leid, Big Boss, so wahnsinnig furchtbar leid. Ich hab Honey aus den Augen verloren. Dieser Harry fährt einfach viel zu schnell, der rast wie ein Irrer. Ich hoffe, ihr passiert nichts …“

Inzwischen waren auch einige der anderen Engel in die Zentrale gekommen und verfolgten ebenso gespannt wie ihr Chef die erschreckenden Bilder auf dem Wolkenbildschirm. Ja, dieser Wagen, in dem die süße Honey mit ihrem Versager-Freund Harry saß, war wirklich verdammt schnell unterwegs. Und wie dieser Mistkerl fuhr …

Einige der Engel schauten betreten zu Boden. Zu schrecklich war das, was sich auf dem Monitor abspielte. Big Boss sah sich in seiner bösen Vorahnung bestätigt. „Versuche, durch das Rosen-Tal abzukürzen, Luftikus. Es ist die einzige Chance, die du noch hast“, rief Big Boss seinem Engel nach kurzer Überlegung hektisch zu. An seinem Hals zeichnete sich deutlich die Halsvene ab, die seine große unterdrückte Wut anschwellen ließ. Die Engel, die noch nicht zu Boden sahen, bemerkten, dass ihr Chef weiß wie Schnee geworden war.

Wie in Trance starrte Big Boss auf dem Bildschirm mit dem rasenden Auto. Auf einem weiteren sah man, wie Luftikus in Höchstgeschwindigkeit, irgendwo an der Grenze zum Durchbrechen der Schallmauer, seine Rennwolke durch die Lüfte jagte.

Ganz leise murmelte der Boss vor sich hin: „Hoffentlich schafft er es. Wenn Luftikus es nicht schafft, dann ist alles verloren!“

Das Flüstern, welches durch die Reihen seiner Engel ging, nahm er nicht wahr.

„Muss ihm sehr am Herzen liegen, die Kleine.“

„Er macht sich große Sorgen um Honey.“

„So habe ich den Boss noch nie erlebt!“

„Wer ist diese Honey eigentlich?“

„Pfiffikus hat eben gesagt, sie ist der letzte lebende, direkte Nachkomme vom Boss!“

Rums! Diese Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Mit großen Augen sahen sich die Engel gegenseitig überrascht an. Bis auf Pfiffikus, der Klügste von ihnen, hatte tatsächlich niemand gewusst, dass ihr Big Boss überhaupt Verwandte auf der Erde hatte. Dieser starrte noch immer auf den Monitor, als er den armen Koordinato anbellte: „Stell mir sofort eine Verbindung zu Luzifer, diesem Versager, her.“

Luzifer! Die Engel sahen sich mit großen Augen total verblüfft an. Normalerweise mied Big Boss den Kontakt zu Luzifer wie der Teufel das Weihwasser! Naja, so ähnlich jedenfalls. Diese Honey musste ihm wirklich sehr wichtig sein. Sie hörten, ebenso gespannt wie ihr Chef, über die Freisprechanlage, wie es bei dem Angerufenen läutete.